Arbeiten in der Pharmabranche: Im Dialog mit der Politik (2024)

Arbeiten in der Pharmabranche: Im Dialog mit der Politik (1)
  • 25.09.2023

Die Entwicklung neuer Medikamente ist komplex: Von bis zu 10.000 Substanzen, die anfangs untersucht werden, schafft es im Schnitt nach 13,5 Jahren ein Wirkstoff bis zur Zulassung. Die Einnahmen von heute nehmen forschende Pharmaunternehmen als Basis, um in die Arzneimittel von morgen zu investieren. Sie sind daher auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen. Nicole Stelzner hat als Senior Director Government Affairs bei Gilead Sciences im Blick, was sich in der Gesundheitspolitik in Deutschland tut. Im Interview spricht sie über ihren Job – und was sie tagtäglich antreibt.

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Sie arbeiten für die forschende Pharmaindustrie. Warum ausgerechnet Pharma?

Nicole Stelzner: Eigentlich komme ich ursprünglich aus der Politik, bin Sozialdemokratin. Doch nach langer Zeit der politischen Arbeit wollte ich eine berufliche Veränderung – und gerne zu einem großen Unternehmen. Trotzdem stand die Branche erstmal überhaupt nicht bei mir auf dem Zettel. Als ein forschendes Pharmaunternehmen mit einem Angebot für eine „Government Affairs“-Stelle auf mich zukam, war ich skeptisch. Ich und Pharma? Hinzu kam, dass ich Gesundheitspolitik zuvor inhaltlich nicht gemacht hatte. Aber die Firma blieb hartnäckig – und in den Gesprächen überzeugte sie mit interessanten Themen und unglaublich guten Bedingungen, was die Vereinbarkeit von Karriere und Familie anging. Das hatte ich vorher so noch nicht erlebt. Meine zweite Tochter war damals erst wenige Monate alt, ich stillte sie noch. ‚Nehmen Sie sie doch mit zum Vorstellungsgespräch’, hieß es. Ich stellte dann fest: Pharma hat wirklich viele Frauen in Führungspositionen – das ist schon ein Pfund, bei einer so innovativen, vielfältigen und hochkomplexen Branche. Das weckte mein Interesse: Ich fing an, mich tiefer in die Themen der pharmazeutischen Industrie einzuarbeiten – und die finde ich bis heute unglaublich spannend.

Was genau machen Sie als „Senior Director Government Affairs“ für Gilead in Deutschland?

Stelzner: Ich habe mein Ohr eng an der Politik: Für die pharmazeutische Branche ist es aufgrund der langen Vorlaufzeiten äußerst wichtig, frühzeitig zu wissen, wenn sich das politische Umfeld ändert. Daher habe ich aktuelle Gesetzesvorhaben im Blick – und schaue, welche Auswirkungen sie auf unsere Branche und auf Gilead haben könnten. Verändern sie unser Geschäftsmodell? Auf welche neuen Rahmenbedingungen muss sich das Unternehmen womöglich einstellen – und wie? Gleichzeitig möchte ich einen guten, nachhaltigen Dialog mit unseren politischen Partnern verfestigen und ausbauen. Der Anspruch von Gilead und mir ist dabei nicht nur, dass die für uns relevanten politischen Akteure uns kennen; sondern dass sie uns als ehrlichen und vertrauensvollen Partner wahrnehmen. Das heißt: Es geht mir nicht nur darum, unsere Interessen und Botschaften zu vermitteln. Es geht um ein Miteinander: Das funktioniert nur, wenn man echtes Interesse an einzelnen Personen, ihrem politischen Handeln und Wirken hat. Idealerweise lässt sich dadurch ein so vertrauensvolles Verhältnis aufbauen, dass die Politiker mit ihren eigenen Fragen auf uns zukommen und ein wirklicher Dialog entsteht. Dazu gehört dann auch, dass wir ehrlich sagen können, wenn bei uns irgendwo der Schuh drückt – etwa, wenn wir wegen eines Gesetzgebungsverfahrens negative Auswirkungen für die Patienten und die Branche in Deutschland befürchten. Zusätzlich ist es die Aufgabe von meinem Team und mir, dass wir politische Stakeholder darüber informieren, woran wir arbeiten, wie die Zukunft in unseren Therapiefeldern aussieht, wo es Hürden gibt. Für den Kontakt mit der Politik nutzen wir neben klassischer Pressearbeit beispielsweise große Veranstaltungen und Kongresse, die wir besuchen. Oder wir organisieren eigene Veranstaltungen – gerne zusammen mit anderen Unternehmen, mit Verbänden, Patientenorganisationen, mit der Ärzteschaft – zu denen wir Menschen aus der Politik einladen. Und natürlich suchen wir über Einzeltermine den direkten Austausch.

Was treibt Sie tagtäglich in Ihrer Arbeit für ein forschendes biopharmazeutisches Unternehmen an?

Stelzner: Ich lerne so unfassbar viel – und das über meinen eigenen Job hinaus. Ich bin keine Medizinerin, keine Biologin oder Chemikerin. Ich habe Politik-, Sprachwissenschaft und Geschichte studiert. Umso mehr bin ich immer wieder aufs Neue beeindruckt, was in dieser Branche geleistet wird und was alles bereits erreicht wurde. Ich denke da an Krankheiten wie HIV, die vor gar nicht allzu langer Zeit ein Todesurteil waren und die man inzwischen so gut behandeln kann, dass betroffene Menschen damit alt werden können – und das, ohne andere anzustecken. Es ist unglaublich, wie sehr man diese Fortschritte sieht. Ich wüsste keine andere Branche, in der man das jeden Tag so sehr miterleben darf. Wenn man in der Pharmaindustrie arbeitet, wirkt man sehr konkret daran mit, kranken Menschen Perspektiven zu geben. Zugleich leistet die ökonomische Wertschöpfung auch sozial- und arbeitsmarktpolitisch einen großen Beitrag für die Gesellschaft. Was die Sinnstiftung angeht, gibt es in meinen Augen wenige andere Arbeitsbereiche, die da mithalten können.

Weitere Artikel aus der Serie „Ausgerechnet Pharma? Die Menschen und ihre Jobs“ lesen Sie hier.

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Arbeiten in der Pharmabranche: Im Dialog mit der Politik (2024)

FAQs

Welchen Einfluss hat die Pharmaindustrie auf die Politik? ›

Kurz gesagt: Seit Generationen versucht die Pharmaindustrie, die Gesetzgeber davon zu überzeugen, politische Probleme so zu definieren, dass ihre Gewinnspanne geschützt ist. Sie verstärkt diesen Rahmen, indem sie selektiv Informationen bereitstellt und Wahlkampfspenden an einflussreiche Gesetzgeber und Verbündete richtet.

Auf welche Weise beeinflussen Pharmaunternehmen die Politik? ›

Lobbyarbeit und Wahlkampfspenden:

Pharmaunternehmen investieren massiv in Lobbyarbeit, um Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger zu nehmen und sicherzustellen, dass die Gesetzgebung ihren Interessen entspricht .

Wie kann ich in der Pharmaindustrie arbeiten? ›

Möchte man als Apotheker arbeiten, dann muss man zusätzlich zum Studium das Staatsexamen sowie eine Approbation bestehen. Aber auch ein allgemeineres naturwissenschaftliches Studium – beispielsweise in Biochemie – kann eine gute Grundlage für den Einstieg in die Pharmazie bieten.

Warum in der Pharmabranche arbeiten? ›

Zukunftssicher und innovativ: Die Pharmaindustrie bietet exzellente Perspektiven für den Berufseinstieg. Die Branche ist stabil und unabhängig von der Konjunktur, denn ob Finanzkrise oder Pandemie: Arzneimittel werden immer benötigt.

Welche Rolle spielt die Politik? ›

Politik regelt dabei insbesondere das öffentliche, aber teilweise auch das private (Zusammen-)Leben der Bürger, die Handlungen und Bestrebungen zur Führung des Gemeinwesens nach innen und außen sowie die Willensbildung und Entscheidungsfindung über Angelegenheiten des Gemeinwesens.

Welches große Gesundheitsproblem in Amerika wird durch die Pharmaindustrie verursacht? ›

Die Situation erinnert an die Einstellung gegenüber Cholesterin. Vor zwanzig Jahren machten sich Ärzte keine Gedanken über die möglichen Auswirkungen auf Herzkrankheiten. Heute jedoch gelten hohe Cholesterinwerte dank der Bemühungen der Pharmakonzerne als ernstzunehmendes Gesundheitsproblem.

Wie korrupt ist die Pharmaindustrie? ›

Wie korrupt das Gesundheitswesen ist und was das Gesetz bringt, erklären zwei Korruptionsexperten. Ein Interview. Viele Ärzte und Apothekern stehen unter Korruptionsverdacht. Pharmaunternehmen wird häufig Bestechung vorgeworfen, Ärzte und Apotheker gelten als korrupt.

Reguliert die Regierung Pharmaunternehmen? ›

Die FDA ist verantwortlich für den Schutz und die Förderung der öffentlichen Gesundheit durch die Kontrolle und Überwachung der Lebensmittelsicherheit, Tabakprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (Medikamente), Impfstoffe, Biopharmazeutika, Bluttransfusionen, medizinischen Geräte, elektromagnetischer Strahlung usw.

Hat die Pharmaindustrie Zukunft? ›

Die Pharmaindustrie zählt zu den Zukunftsbranchen der globalen Ökonomie. Sie trägt durch ihre Innovationskraft nicht nur zu Wachstum und damit zu gesellschaftlichem Wohlstand bei, sondern steht auch in Verantwortung für die Qualität der Gesundheitsversorgung. Innovationen sind Wachstumstreiber.

Wer verdient am meisten in der Pharmaindustrie? ›

Mediziner beziehen durchschnittlich das höchste Gehalt mit etwa 60.000 Euro brutto im Jahr.

Ist die Pharmaindustrie eine gute Karriere? ›

Dem US Bureau of Labor Statistics (BLS) zufolge sind die Beschäftigungsaussichten in der Pharmabranche und der Arzneimittelherstellung gut . Dies ist auf die hohen durchschnittlichen Jahresgehälter der Pharmafachleute und einen Pharmamarkt zurückzuführen, der in absehbarer Zeit nicht nachlassen wird.

Wie startet man eine Karriere in der Pharmaindustrie? ›

Grundqualifikationen: Ein Hauptfach in Pharmazie, Pharmazie, Biologie, Chemie oder Medizin ist die Grundlage. Fachwissen entwickeln: Erwerben Sie Kenntnisse in branchenrelevanten Soft Skills und Hard Skills. Praktika und Nebenjobs: Sammeln Sie praktische Erfahrungen durch Praktika und Nebenjobs.

Warum sind Karrieren im Pharmabereich so gefragt? ›

Eine wachsende Branche mit hoher Nachfrage

Die Pharmaindustrie ist ein Wachstumsfeld mit hoher Nachfrage. Aufgrund der alternden Bevölkerung und der Häufigkeit chronischer Krankheiten steigt der Bedarf an Pharmafachkräften.

Warum möchten Sie so gerne im Pharmabereich arbeiten? ›

Der Bereich Pharmazeutika ist von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der öffentlichen Gesundheit und die Behandlung von Krankheiten , die letztlich weltweit unzählige Leben retten. Die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien hat einen enormen Einfluss auf die Lebenserwartung und ermöglicht den Menschen ein gesünderes und längeres Leben.

Zahlt die Pharmaindustrie gut? ›

Ab dem 1. August 2024 beträgt der durchschnittliche Stundenlohn eines großen Pharmaunternehmens in den USA 42,79 Dollar .

Wie wichtig ist die Pharmaindustrie? ›

Insgesamt wendete die Pharmaindustrie 7,8 Mrd. € für ihre Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung (FuE) auf und ist damit nach dem Kraftfahrzeugbau und der Elektronik der drittstärkste forschende Industriezweig des Verarbeitenden Gewerbes (Abb. 7.3).

Wer finanziert die Pharmaindustrie? ›

Fast 80 Prozent kommen von privaten Spendern der Pharmaindustrie unter anderem, aber allein 629 Millionen Dollar von insgesamt 4,4 Milliarden – so groß ist das Budget der WHO –, 629 Millionen Dollar, mehr als 14 Prozent des Gesamtbudgets, stammen von der Bill and Melinda Gates Stiftung. Viele andere spenden auch.

Warum verlangt die Pharmaindustrie so viel? ›

Sie sagen , die Entwicklung neuer Medikamente und die Durchführung der erforderlichen klinischen Tests zum Nachweis von Sicherheit und Wirksamkeit seien teuer . Viele vielversprechende Medikamente scheitern und das Zulassungsverfahren der FDA sei schwierig und kostspielig.

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